Themenwochen Weltfrauentag

Der Gender-Pay-Gap

Wenn es zu Diskussionen über Sexismus in unserer Gesellschaft kommt, dann treffen oft verhärtete Fronten aufeinander. Am besten war das zu sehen in dem berühmt-berüchtigten Interview zwischen Cathy Newman und Dr. Jordan B. Peterson in Großbritannien, dass weite Wellen durch die politische Landschaft zog, auch über die Insel hinaus. Doch was steckt wirklich hinter dem Gender-Pay-Gap? Eine sexistische Gesellschaft, die Frauen nicht fair behandelt oder gibt es ganz andere Auslöser für den Gender-Pay-Gap? Dieser Frage will ich in diesem Artikel auf den Grund gehen.

1.      Unbereinigter versus bereinigter Gender-Pay-Gap Wenn man sich mit dem Thema befasst, so sind die ersten Statistiken, über die man stolpert, sehr eindeutig: Frauen verdienen 33 Cent weniger für jeden Euro, den Männer verdienen. Leider hören die meisten Leute bei der Recherche hier bereits auf, ohne sich mit den Hintergründen zu befassen. Schaut man genauer hin, so entwickelt sich jedoch ein genaueres Bild. Diese 33 Cent Unterschied entstehen, wenn man alle Männer mit allen Frauen in Deutschland vergleicht, ganz egal, welche Branche betrachtet wird. Tatsächlich muss eine Analyse des Themas jedoch mehr in die Tiefe gehen.

1.1.Arbeitszeit, Überstunden und Wochenendarbeit Das erste Problem, das auftritt, ist der Vergleich von Gehältern, ohne dabei den Unterschied zwischen den Arbeitsstunden in Betracht zu ziehen. Dabei ist ein Faktor besonders wichtig: Überstunden, Wochenend- und Feiertagsarbeit beeinflussen das Gehalt nicht linear, sondern exponentiell. Dieser Bonus hat einen massiven Einfluss auf die Gehälter. Laut der Bertelsmann Stiftung arbeiten Männer pro Woche im Schnitt 41 Stunden, während Frauen im Schnitt nur etwa 32 Stunden arbeiten. Behaltet diesen Punkt im Hinterkopf, er wird später noch einmal wichtig.

1.2.Umzug, Geschäftsreisen und Berufswahl Laut dem statistischen Bundesamt sind Männer deutlich bereiter für ihre Arbeit umzuziehen als Frauen. Dies gilt sowohl für die hypothetische als auch die tatsächliche Bereitschaft, egal ob innerhalb Deutschlands, als auch ins Ausland. Dies bedeutet, dass wenn ein besser bezahlender Beruf verfügbar ist, sind Männer eher bereit zu wechseln und dafür umzuziehen.  Auch das Thema Geschäftsreisen wird in der Debatte hin und wieder erwähnt, verlässliche Daten dafür zu finden gestaltet sich jedoch als schwierig.  Das Thema Berufswahl ist ein weiteres Feld, das eingehende Betrachtung benötigt. Zunächst ein paar Grundkonzepte. Frauen gelten in der Psychologie als interessierter an Personen, Schicksalen, aber auch an geisteswissenschaftlicher Arbeit. Männer dagegen sind interessierter an Systemen, Fahrzeugen oder Werkzeug. Diese Geschlechtsunterschiede sind wahrscheinlich biologisch determiniert, nicht, wie gerne behauptet wird, sozialer Natur und von der Gesellschaft aufgepflanzt. Die allgemeine These unter den Biologen, darunter Alex Mayer von der Uni Konstanz gehen davon aus, dass alle drei Faktoren, als Umwelt, Biologie und Gesellschaft in Wechselwirkung die Interessen eines Menschen beeinflussen. Die Evolutionsbiologen widersprechen damit der These von Leuten wie Judith Butler, die als Vordenkerin der Sozialthese gilt. Sie geht davon aus, dass Menschen vor allem durch die Gesellschaft beeinflusst werden und Geschlechterrollen konstruiert seien. Natürlich kann die Ausrichtung einer Gesellschaft auf solche determinierten Tendenzen auch zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden, aber Statistiken aus Skandinavien legen nahe, dass, je freier eine Gesellschaft in ihrer Entfaltung ist, desto wahrscheinlicher wählen junge Männer und Frauen ihren Beruf nach biologischen Faktoren aus. Dass sich dieser Prozess in einer Gesellschaft frei von sozialem Druck umkehren würde, ist anzuzweifeln. Des Weiteren lassen sich diese Tendenzen nicht nur in Menschen beobachten, sondern auch in vielen Experimenten mit Affen. Männchen sind bereits im Kindesalter interessierter an Spielzeug, dass an Dinge angelehnt ist, wie Autos, Bagger oder Werkzeug, während Weibchen Puppen und Teddybären präferieren, wie der Evolutionsbiologe Harald Euler von der Universität Kassel in einem Interview mit Deutschlandfunkt bestätigte. Aber warum ist das für die Berufswahl von Relevanz? Weil eine deutliche Diskrepanz besteht zwischen den sogenannten MINT-Berufen, also Mathematik, Informatik, Natur- und Ingenieurswissenschaft und den sogenannten sozialen Berufen und Geisteswissenschaften. Der alte Witz, dass Philosophiestudenten studieren, um später Taxifahrer zu werden, enthält leider mehr als nur ein Körnchen Wahrheit. Als Politikwissenschaftsstudent weiß ich, wovon ich spreche. Dass das Pflegepersonal, die Lehrkräfte, Erzieher und Krankenpfleger in Deutschland deutlich unterbezahlt sind, ist spätestens seit der Pandemie kein großes Geheimnis mehr. Allerdings ist dies auch dem Umstand geschuldet, dass man mit Smartphones, Durchflussmessern oder Motorkolben einfach mehr Geld erwirtschaften kann als mit der Pflege von alten Menschen.   Dadurch verdienen Ingenieure deutlich mehr Geld, als Menschen im Pflegebereich und da Männer eher geneigt sind, Ingenieursberufe, als Berufe mit Fokus auf Objekte und Systeme zu wählen, erklärt dies einen Teil der Diskrepanz. Eine mögliche Lösung wäre das Verstaatlichen des Krankenhaus- und Pflegesystems, aber das kann in der Folge zu ungeahnten neuen Problemen führen. Allerdings sehen viele Pflegekräfte ein Problem in dem Zwang von Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser, Gewinn erzielen zu müssen. Die Frage ist, ob man diesen Effekt überhaupt ändern kann, ohne Menschen in Berufe zu zwingen, in denen sie sich nicht wohl fühlen.

1.3.Mutterschaft, Personalverantwortung und die Frage nach dem Gehalt Wir alle wissen, spätestens aus zweiter Hand, wie sich eine Mutterschaft auf das Leben einer Frau auswirken kann. Man ist mehrere Monate weniger belastbar, möglicherweise auch über ein Jahr abwesend vom Arbeitsplatz und in dieser Zeit verliert man viel von dem, was man sich erarbeitet hat. Aber das Problem ist noch viel tiefgreifender, weil Arbeitgeber junge Frauen in hochdekorierten Positionen nicht gerne anstellen, aus Angst, die Frau könne in dieser wichtigen Position schwanger werden. Dahinter steckt keine Abneigung gegen werdende Mütter, sondern vielmehr ein Kalkül der marktwirtschaftlichen Zwänge. Ein oft übersehenes, zweites Problem entsteht jedoch erst nach der Mutterschaft: Der Sprung von der Halbtags-Tätigkeit zurück in die Vollzeit. Dieser wird nämlich abermals laut der Bertelsmann Stiftung häufig verwehrt, wodurch eine Diskrepanz zwischen den gearbeiteten Stunden pro Woche zwischen Männern und Frauen entsteht.  Steckt darin der vermutete Sexismus? Wahrscheinlich nicht. In den meisten Fällen ist es wohl eher die Tatsache, dass die Stelle nach der Mutterschaft von mehreren Halbtagskräften ausgefüllt wird, nicht, wie zuvor, von einer Vollzeitkraft.  Gleichzeitig kommt ein weiterer Faktor der Biologie ins Spiel: Die Risikobereitschaft. Männer sind im Schnitt deutlich risikobereiter. Dies bedeutet, dass wir im Schnitt etwa vier Jahre kürzer leben, aber auch, dass wir größere Risiken im Beruf eingehen. Dies beinhaltet sowohl den Abschluss riskanter Geschäfte als auch die Übernahme von Verantwortung vieler Menschen. Wenn nämlich ein Untergebener eines Abteilungsleiters einen Fehler macht, so ist es die Aufgabe des Leiters, die Konsequenzen abzufedern. Risikobereitschaft und Aggressivität sind es auch, die Männern einen Vorteil bei den Gehaltsverhandlungen einräumen. Dadurch erhalten bei gleicher Qualifikation tatsächlich Männer oftmals mehr Gehalt als Frauen, einfach, weil sie aggressiver verhandeln und mehr Risiken bei der Verhandlung eingehen. Das beeinflusst dann gleich den bereinigten Gender-Pay-Gap, da die Verhandlungstaktik beim unbereinigten Pay-Gap keine Rolle spielt. Aber man kann etwas dagegen tun. Richtig verhandeln kann man lernen und es lohnt sich.


2.      Bereinigter Gender-Pay-Gap Laut der OECD beläuft sich der bereinigte Gender-Pay-Gap auf etwa 2-7%. Rechnet man also alle anderen Faktoren, wie Arbeitszeit und Berufswahl heraus, so sind wir bei etwa 2-7 Cent für jeden Euro angelangt. Diese lassen sich teilweise erklären, beispielsweise durch das bereits erwähnte Verhandlungsverhalten von Männern und Frauen. Gleichzeitig spielt die Mutterschaft eine große Rolle. Hier dürfte Sexismus möglicherweise auch eine kleine Rolle spielen. 

3.      Konklusion Aber was bedeutet das? Gibt es den Gender-Pay-Gap überhaupt? Und was ist dafür die Ursache?Meine Antwort: Ja und nein. Der Gender-Pay-Gap stellt sich bei näherer Betrachtung als Mother-Pay-Gap heraus. Denn es sind vor allem zurückkehrende Mütter aus dem Mutterschaftsurlaub, die benachteiligt werden. Möglicherweise wäre eine spezifische Verbesserung der Rente und sozialpolitische Ansätze zur Verbesserung der Aufstiegschancen von Müttern eine Möglichkeit, diese Differenzen zu überbrücken und für Arbeitgeber und Mütter eine faire Lösung auszuhandeln. Aber hier können die Männer etwas tun, beispielsweise einen Teil der Kindesbetreuung bis zum Kindergarten begleiten und selbst Vaterschaftsurlaub nehmen. Glücklicherweise geben immer mehr Firmen die Möglichkeit zur Vereinbarung von Beruf und Privatleben.  Sexismus spielt zum Glück in der Arbeitswelt mittlerweile eine eher geringe Rolle. Arbeitsschutzmaßnahmen, Gewerkschaften und Betriebsräte arbeiten kontinuierlich am Abbau solcher Schranken für Frauen. Natürlich bleibt es weiterhin ein nobles Ziel, Ungerechtigkeiten anzusprechen und Ungleichbehandlung zu verhindern.

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