Kultur und Unterhaltung Universität Mannheim

Gasthörer aus Leidenschaft – Hans Mentzel und die Freude am lebenslangen Lernen

Vielleicht hat sich schon der eine oder andere junge Mensch gefragt, wie Rentner eigentlich ihren Alltag gestalten. Viele denken dabei sofort an die klassischen „Rentnerhobbys“ wie Gärtnern, Briefmarken sammeln oder auf die Enkelkinder aufpassen. Manch ein Rentner verbringt seinen Tag jedoch überraschend ähnlich wie Studierende: Er besucht Vorlesungen und Seminare – und trinkt danach noch gemeinsam mit anderen einen Kaffee. Doch wie erleben Gasthörende eigentlich ihr Studium? Und wie sehr unterscheiden sie sich von den regulären Studierenden? Sind sich beide Gruppen in ihrer Lernerfahrung und Denkweise vielleicht sogar ähnlicher, als man zunächst vermuten würde? Diesen Fragen gehen wir in unserer Porträtreihe über Gasthörern auf den Grund.

Neugier und die Freude am Lernen – das ist es, was Hans Mentzel motiviert, sich Woche für Woche als Gasthörer unter die Studierenden zu mischen. Mit Reclamheften, Lesebrille und Notizen sitzt er in den Seminaren, die ihn interessieren. Bereits 1974 hatte er Germanistik und Geografie auf Lehramt studiert – damals noch an der Universität Heidelberg. Seit 2017 ist er wieder regelmäßig auf dem Campus unterwegs, diesmal an der Universität Mannheim.

Was ihn dazu bewogen hat, sich erneut an einer Universität einzuschreiben? Kaum drei Monate nach dem Eintritt in den Ruhestand verspürte er das Bedürfnis, geistig aktiv zu bleiben. Bereits in jungen Jahren wurde er vom Vater, einem Juristen, zum Lesen ermutigt. So entdeckte er früh seine Liebe zur Literatur – eine Leidenschaft, die ihn bis heute begleitet.

Seit acht Jahren besucht Hans Mentzel nun unterschiedlichste literaturwissenschaftliche Seminare und Vorlesungen – rein aus Interesse. Dabei nimmt er sowohl am regulären Lehrangebot teil als auch an Veranstaltungen, die speziell für Gasthörer konzipiert sind, etwa „Museum in Bewegung“ oder „Mannheimer Kulturlandschaft“. Einen Abschluss strebt er nicht an – er hat in der Vergangenheit bereits mehrere erworben: Neben dem Lehramtsstudium absolvierte er auch ein Studium der Sonderpädagogik für Gehörlose.

Für ihn liegt der Reiz gerade darin, dass es keine Prüfungen gibt – der Fokus liegt auf dem Inhalt, nicht auf der Leistung. Inhaltlich unterscheidet sich dieses zweite Studium stark vom ersten: Heute erkennt er viele interdisziplinäre Ansätze, die er sehr schätzt. Schiller und Goethe sind längst nicht mehr unantastbar – auch moderne Autor*innen finden Eingang in den Kanon. Besonders begeistert ihn die Entdeckung neuer Literatur, weshalb er regelmäßig an der Veranstaltungsreihe „Mannheim liest ein Buch“ teilnimmt.

Als Gasthörer nimmt er sich die Freiheit, Veranstaltungen auch mehrfach zu besuchen – nicht, weil er durchgefallen ist, sondern weil sie ihm gefallen. Wenn ein Kurs nicht im Vorlesungsverzeichnis für Gasthörer auftaucht, fragt er die Lehrenden persönlich, ob er dennoch teilnehmen darf – meist mit Erfolg. Selbst Themen, die ihn früher kaum interessierten, faszinieren ihn heute: So haben ihn etwa die politischen Gedichte von Walter von der Vogelweide in der Mediävistik besonders begeistert. Mit Freude berichtet er von den Vorlesungen von Frau Lembke.

Insgesamt stellt er fest, dass sich die wissenschaftlichen Herangehensweisen stark verändert haben. Hans Mentzel, der beruflich auch im IT-Bereich tätig war, ist überzeugt: „Die Geisteswissenschaftler gehen ganz anders an ein Problem heran – mit einer vollkommen anderen Denkweise.“

Auch die jungen Studierenden beeindrucken ihn: Ihre Zielstrebigkeit, Neugier und Motivation überraschen ihn immer wieder. Von Klischees über „faule Millennials“ oder „träge Gen Z“ hält er nichts – im Gegenteil: Er bewundert die Beiträge, die sie in Seminaren einbringen, und sieht sich selbst in erster Linie als Zuhörer. Gasthörer zu sein erfüllt ihn im besten Sinne.

Einen Wunsch hat er dennoch – an beide Seiten: Die Studierenden sollten sich trauen, sich mehr zu beteiligen, und keine Angst vor Fehlern haben. Und von anderen Gasthörern würde er sich manchmal etwas mehr Zurückhaltung wünschen, damit die Studierenden auch ausreichend zu Wort kommen.

Für Hans Mentzel bedeutet das Studium nicht nur geistige Fitness, sondern auch eine Erweiterung seines Horizonts. Der Austausch mit den jüngeren Generationen ermöglicht ihm neue Sichtweisen und das Hinterfragen eigener Denkmuster – eine Erfahrung, die er sehr schätzt. Doch nicht nur er profitiert: Auch die Studierenden können durch den Perspektivwechsel, den Gasthörer mitbringen, etwas lernen. Eine Begegnung auf Augenhöhe – von der beide Seiten profitieren.

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