Universität Mannheim

Konzert in Mannheim: Paul Kalkbrenner ist auf musikalischer Mission

Beats statt Bibpause auf dem Ehrenhof: Tausende feierten ausgelassen vor dem Mannheimer Schloss zu den elektronischen Klängen von Paul Kalkbrenner. Der Techno-Superstar verwandelte das Herz des Campus für einen Abend zu einem riesigen Dancefloor.

Seit einigen Jahren ist es ein beliebter Trend, Partys mit bekannten DJs und Liveacts vor historischen Kulissen zu veranstalten. Paul Kalkbrenner macht sich dieses Eventkonzept in mittelgroßen deutschen Städten zu eigen. Nun diente das Mannheimer Barockschloss als Schauplatz für den nächsten Rave – und damit auch das Hauptgebäude unserer Universität. So ergab sich in den Tagen vor seinem Konzert ein kurioses Bild auf dem Campus. Auf dem Weg zur Schlossbibliothek und zur nächsten Vorlesung eilten Mannheimer Studis vorbei an Gabelstaplern, LKWs voller Bühnentechnik und Getränkelieferanten, die die Party vorbereiteten.

Pünktlich um 20 Uhr am Samstagabend betrat Paul Kalkbrenner sichtlich gut gelaunt die Bühne. Die Open-Air-Saison ist noch jung – seine jährliche Sommertour von Festival zu Festival quer durch Europa steht dem Musiker noch bevor. Zwei Stunden lang beschallte der 47-Jährige die rund 12 000 Menschen vor dem Schloss mit einem bunten Mix aus neuen und alten Stücken. Manche haben vermutlich den einen oder anderen Kalkbrenner-Klassiker vermisst. Doch nach acht Albumveröffentlichungen und dem legendären Soundtrack seines Films „Berlin Calling“ aus dem Jahr 2008 weiß Kalkbrenner genau, dass er nicht alle nostalgischen Wünsche erfüllen kann. Deshalb versuchte er es erst gar nicht. Auf seinen größten Hit „Sky and Sand“ wollte der Künstler trotzdem gegen Ende seines Sets nicht verzichten.

Kalkbrenner wandelt zwischen Clubgeschichte und Gegenwart

Für viele Musikfans ist Kalkbrenner auch heute noch das Aushängeschild der deutschen elektronischen Musik und der Berliner Technoszene, auch wenn sein letzter Auftritt in einem Club in der Hauptstadt Ewigkeiten her ist. Doch Kalkbrenners Sound ist zeitlos: Druckvoll, aber nicht überladen, dazu melodisch und oft melancholisch. Paul Kalkbrenner ist kein DJ. Er ist ein Liveact, der ausschließlich seine eigenen Produktionen spielt. So brachte er auch nach Mannheim die einzelnen Elemente seiner Stücke mit, die er auf der Bühne live arrangierte. Kalkbrenner bleibt sich auch nach Jahren und Jahrzehnten treu. Der Musiker, der 1977 in Leipzig geboren wurde und in Ostberlin aufwuchs, erlebte in den 1990er-Jahren hautnah mit, wie der Techno nach der Wiedervereinigung zu einem zentralen Element der sozialen Annäherung der West- und Ostberliner Jugend wurde.

Ob ein so kompromissloser Charakter in der heutigen Techno- und Clublandschaft noch Chancen hätte, so erfolgreich zu werden? Vermutlich nicht. Die Szene hat sich stark gewandelt. Sichtbarkeit und Reichweite auf Social Media sind oft wichtiger als Talent und innovatives Sounddesign. Der elektronischen Musikszene steckt noch immer die Pandemie in den Knochen – vermutlich wird sie sich nie komplett davon erholen. Umso bemerkenswerter ist die Kontinuität in Kalkbrenners Karriere.

Musik, die altersübergreifend verbindet

In der schnelllebigen und aufgesplitterten Technokultur hat Kalkbrenner etwas geschafft, das nur den allerwenigsten Artists gelingt: Er vereint die Generationen. Das war auch auf dem Ehrenhof deutlich zu spüren. Anfang Zwanzigjährige, die während der Pandemie über soziale Medien zur elektronischen Musikkultur fanden und heute ihre Wochenenden im Karlsruher Gotec Club verbringen, schätzen Kalkbrenner genauso wie die Mitte Vierzigjährigen, die ihre aktive Rave-Zeit längst hinter sich gelassen haben – die sich aber trotzdem einen Babysitter organisieren, wenn „der Paule“ in der Stadt spielt.

Kalkbrenner verweigert sich allen Trends. Auch den Visuellen: Er verzichtet auf aufwendige Bühnenproduktionen und animierten 3D-Visuals auf größer und größer werdenden LEDs. Auf dem Screen hinter seinem Booth sieht man einfach ihn. Wie er an seinem überdimensionalen Mischpult werkelt, auf dem die einzelnen Kanäle in klassischer Tonstudiomanier mit einem Marker auf Klebeband beschriftet sind. Wie er das Gesicht in seinen Händen vergräbt, der Menge zulächelt und sich über die einsetzende Bassline freut. Diese kleinen Momente der Euphorie sind nicht gespielt. Paul Kalkbrenner ist authentisch. Und so vergehen zwei Stunden elektronischer Euphorie wie im Flug, es wird dunkel und die Scheinwerfer kreisen über die Köpfe der tanzenden Menge. Bis das Soundsystem schlagartig verstummt. 22 Uhr, die Party ist vorbei. Der Veranstalter hatte der Stadt versichert, zum Schutz der Anwohnenden nicht zu überziehen. Die Menge will es noch eine ganze Weile lang nicht wahrhaben.

Der Abend in Mannheim stand in keinem direkten Zusammenhang mit der Universität. Und trotzdem ist es etwas surreal, wenn Paul Kalkbrenner plötzlich genau an dem Ort performt, der sonst uns Studis gehört. 2015 veröffentliche Kalkbrenner eine Musikvideoreihe über den Jugendlichen Florian. Der fiktive Charakter fremdelt mit seiner Umgebung und hat das große Bedürfnis, seine große Musikleidenschaft mit den Menschen zu teilen, denen er begegnet. Auch Kalkbrenner ist auf einer musikalischen Mission. Sie treibt ihn zwischen seinen Auftritten in Medellín, Los Angeles und Barcelona in die deutschen Innenstädte. Damit sorgt er für besondere Momente und bereichert gleichzeitig die lokalen Kulturszenen. Für diesen Sommer sind weitere Soloshows unter anderem in Bremen, Kassel und Nürnberg geplant.

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